Bundestag 3 für Palästina (BT3P): Unsere Grundsätze

Wir wissen nur allzu gut, dass unsere Freiheit unvollständig ist ohne die Freiheit des palästinensischen Volkes.
— Nelson Mandela, 1997

Wer wir sind

Wir, die Bundestag 3 für Palästina (BT3P), haben den Bundestag der Bundesrepublik Deutschland verklagt. Im vorliegenden Grundsatzpapier möchten wir Ihnen gerne erklären wie es dazu kam, wieso dieser Schritt notwendig war und was Sie zur Unterstützung unserer Initiative tun können.

Wir sind: 

  • Judith Bernstein, deutsche Jüdin, in Jerusalem geboren und Trägerin des Preises “Aufrechter Gang” 2017 der Humanistischen Union Bayern. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Dr. Reiner Bernstein erhielt sie den Preis für die Verlegung von Stolpersteinen in München und für ihren Einsatz für den Frieden zwischen Israelis und Palästinenser*innen. Sie ist Sprecherin der Münchner “Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe”.

  • Amir Ali ist deutsch-palästinensischer Herkunft. Seine Familie wurde 1948 vollständig aus der Nähe von Haifa vertrieben und lebt heute als Flüchtlinge in Jordanien. Er engagiert sich in der Initiative “Palästina Spricht”.

  • Christoph Glanz ist seit seiner Jugend antifaschistisch und antirassistisch aktiv. Er hat zwei Jahre in Israel/Palästina gelebt und gearbeitet und ist seit einigen Jahren ehrenamtlich für die palästinensische BDS-Kampagne aktiv (BDS-Initiative Oldenburg). 

Beauftragt mit der Klage wurde der Berliner Rechtsanwalt Ahmed Abed. Rechtsanwalt Abed hat bereits erfolgreich gegen die Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit der BDS-Kampagne geklagt (Niedersächsisches OVG, 10 ME 48/19, VG Köln, 14 L 1765/19) und setzt sich seit Jahren national und international für Menschenrechte ein.

Was uns drei Kläger*innen als politisch denkende und handelnde Menschen vereint, ist unsere bedingungslose Verpflichtung gegenüber den Menschenrechten. Wir wenden uns ausnahmslos gegen alle Formen von Rassismus, Diskriminierung und Unterdrückung. Aus dieser Verpflichtung und diesen Werten erwächst unser Engagement für die palästinensische Sache und BDS.


Wir haben den Deutschen Bundestag verklagt- wieso?
Am 17. Mai 2019 beschloss der Bundestag einen nicht-bindende Beschluss, der die BDS-Kampagne als antisemitisch brandmarkt, jegliche Kooperation mit BDS Aktivist*innen und Unterstützer*innen verneint und Länder, Gemeinden und Städte dazu aufruft, Veranstaltungen, die BDS thematisieren, durch das Verweigern von öffentlichem Raum etc. zu behindern. Aufgrund der Autorität des Bundestages richten sich faktisch Länder, Gemeinden und Kommunen sowie private Unternehmen nach diesem Beschluss. Sie wenden diesen trotz seiner offensichtlichen Fehleinschätzungen und der fehlenden gesetzlichen Grundlage gegen BDS Aktivist*innen und Palästina- Unterstützer*innen an. Dadurch wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit für Menschenrechtsarbeit massiv verletzt.  

Um diese Lage einschätzen zu können, muss man zunächst wissen, was BDS überhaupt ist. Die BDS-Kampagne wurde im Jahre 2005 von der palästinensischen Zivilgesellschaft ins Leben gerufen. Sie ist die Antwort auf Jahrzehnte ethnischer “Säuberungen”, militärischer  Besatzung, kontinuierlicher Unterdrückung und Apartheid-Praktiken durch den israelischen Staat und orientiert sich in den Grundsätzen und Mitteln an der Boykottbewegung gegen das alte Apartheidsregime in Südafrika.

Die BDS-Kampagne beinhaltet drei durch das Internationale Völkerrecht und die Resolutionen der Vereinten Nationen gedeckte Forderungen der Palästinenser*innen, nämlich:

  • das Recht der Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen

  • den vollständigen Rückbau der illegalen israelischen Mauer- und Sperranlagen im Westjordanland und die Beendigung der Besatzung sowie

  • die vollständige rechtliche Gleichstellung aller palästinensischen Bürger*innen Israels

Für das Erreichen dieser Forderungen werden drei gewaltfreie Mittel angewendet, die sich an der Anti-Apartheid Bewegung in Südafrika (u.a. angeführt von Nelson Mandela) orientieren, nämlich::

  • Boykott

  • Desinvestionen

  • Sanktionen.

Wir als BT3P schließen uns den genannten Forderungen der palästinensischen Zivilgesellschaft an.

Der betroffene Beschluss des Deutschen Bundestags diffamiert die Palästinenser*innen und ihre vom internationalen Völkerrecht gedeckten Forderungen (s.o.) sowie ihre gewaltfreie Methode zur Durchsetzung dieser Forderungen (BDS) indem sie diese als antisemitisch bezeichnet. Nichts könnte falscher sein. Menschenrechte sind unteilbar und deswegen hat jeder Mensch Anrecht auf diese. Die Forderung nach Menschenrechten für die Palästinenser*innen bedeutet selbstverständlich nicht, dass anderen Menschen ihre Rechte genommen werden sollen. Dies angesichts von Jahrzehnten der gewaltsamen Unterdrückung, Vertreibung, Apartheid und Besatzung durch den israelischen Staat zu behaupten, stellt eine üble Diffamation der Palästinenser*innen selbst dar sowie der Menschen, die sie in ihrem legitimen Kampf unterstützen. Im Gerichtsprozess werden wir aufzeigen, dass dies unter anderem auch hier in Deutschland ganz konkrete antidemokratische  und rassistische Auswirkungen hat.

Regierungen, die BDS-Aktivitäten kriminalisieren oder unangemessen beschränken, sollten diese Maßnahmen beenden und stattdessen dafür Sorge tragen, dass BDS-Befürworter ihre Ansichten frei äußern und ihre Kampagnen ohne Schikanierungen oder drohende strafrechtliche Verfolgung betreiben können.
— Amnesty International, 2020

Unsere Bewertung des Bundestagsbeschluss
Die Mehrheit des Bundestages hat sich dem Beschluss, Drucksache 19/10191, angeschlossen (https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/101/1910191.pdf) und sie damit erfolgreich verabschiedet. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete waren nicht erschienen. Die Fraktion DIE LINKE. stimmte zwar gegen den Beschluss, aber für einen eigenen Antrag, der sich ebenfalls gegen BDS aussprach. Eine Minderheit des Bundestages hat sich ganz enthalten und die AfD versuchte gar einen Verbotsantrag gegen BDS durchzubringen (https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/097/1909757.pdf). 

Von diesem Abstimmungsverhalten konnte die Bundestagsabgeordneten nicht einmal ein Aufruf von 240 jüdischen und israelischen Wissenschaftler*innen abbringen. Darin schrieben diese:

Wir sind entsetzt darüber, dass Forderungen nach Gleichberechtigung und Einhaltung des Völkerrechts als antisemitisch angesehen werden. (....) dieser Antrag ist von den politischen Interessen und der Politik der am stärksten rechts gerichteten Regierung Israels (....) angetrieben.
— https://de.scribd.com/document/412474418/Aufruf-von-240-Judischen-und-Israelischen-Wissenschaftlern-an-die-Bundesregierung-zu-BDS-und-Antisemitismus

Wir stellen fest: Im gesamten Deutschen Bundestag gab es keine einzige Stimme, die sich klar und bedingungslos auf die Seite der Unterdrückten und des Völkerrechts gestellt hätte. Dieser Beschluss und die weitverbreitete systematische Behinderung einer Menschenrechtskampagne wird eines Tages in der Öffentlichkeit als das Äquivalent zur Unterstützung des südafrikanischen Apartheidstaates und der Diffamierung und Kriminalisierung der dortigen Befreiungsbewegung gelten. 


Die juristische Perspektive
Anstatt den Einsatz für Menschenrechte in Palästina und Israel zu fördern werden BDS-Aktivist*innen und Palästina-Unterstützer*innen durch den Beschluss angegriffen. Es fehlt eine  gesetzliche Grundlage für die Einschränkung der Meinungs-, Versammlungs und Vereinigungsfreiheit. Die staatliche Warnung vor der BDS-Kampagne und die erklärten und geforderten Verbote für Versammlungen und der Meinung zu BDS sind ebenfalls ohne Rechtsgrundlage. Sie fordert von den Ländern, Gemeinden und allen anderen öffentlichen Akteuren, dass Räume und Einrichtungen verboten werden, was nichts weiter als die Forderung zum Gesetzesbruch bedeutet. Die Grundrechte und vorrangige Gesetze, die die Bereitstellung von Räumen und Einrichtungen garantieren, werden ohne Kommentar übergangen. Ohne Beleg wird  schwerwiegende und ehrverletzende Anschuldigung gegen BDS-Unterstützer*innen erhoben, dass sie nicht “nur” irgendeiner Form des Antisemitismus anhängen würden, sondern der  eliminatorisch-rassistischen Ausprägung der NS-Zeit, der in der Shoah Millionen europäische Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen. Außerdem ist der Beschluss unvereinbar mit europäischen und internationalen Menschenrechten, wie sie aus Art. 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem UN-Zivilpakt hervorgehen. 

Die Gerichte werden wie in den jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 11. Juni 2020 (Baldassi et al vs. Frankreich, Rechtssache 15271/16 und andere), des Europäischen Gerichtshofes (C-363/18) und des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. September 2019 (14 L 1765/19) sich für die Meinungsfreiheit der Menschenrechtsarbeit für BDS-Unterstützerinnen entscheiden. 

Auswirkungen des Bundestagbeschlusses
Der Eingriff in unsere demokratischen Freiheitsrechte ist auch im Fall des Deutschen Bundestages gegeben. Obwohl der Beschluss nicht-bindenden Charakter hat, richten sich wie bereits erwähnt faktisch Länder, Gemeinden, sonstige öffentliche Akteure und sogar private Firmen nach dem Aufruf des Bundestages und verweigern oder entziehen in der Praxis BDS-Aktivist*innen und Palästina-Unterstützer*innen öffentliche Räume, dies gilt teilweise sogar für Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegner*innen der BDS-Kampagne (siehe München). Es kommen viele weitere Repressalien gegen uns und andere hinzu. Diese richteten sich in der Vergangenheit unter anderem gegen folgende Personen und Gruppen (unvollständige Aufzählung):

  • den postkolonialen, kamerunischen Intellektuellen Achille Mbembe,

  • die Autorin Kamila Shamsie

  • den Rapper Talib Kweli 

  • die Hip-Hop-Gruppe Young Fathers

  • die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.

  • Palästina Spricht 

Sie alle haben erleben müssen, dass sie aufgrund falscher Anschuldigungen und ihrer Unterstützung der BDS-Kampagne von deutschen Institutionen ausgeladen, Preise zurückgenommen und Reden abgesagt wurden. Die obige Aufzählung und die Liste an Rechtsbrüchen verlängert sich ständig. Sie sollte auch in der unvollständigen Form nachvollziehbar illustrieren, dass die Freiheitsrechte von Künstler*innen, Intellektuellen, Denkern aus Deutschland und der ganzen Welt in Deutschland massiv eingeschränkt werden. Dies ist inakzeptabel, denn es führt zu einer beträchtlichen Einschränkung der Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland. 

Last but not least- massiv beeinträchtigt sind allerdings auch und zentral die Palästinenser*innen und Deutsch-Palästinenser*innen selbst. Zusätzlich zu Vertreibung und Exil, Apartheid und Besatzung, alltäglicher Bedrohung und Erniedrigung, werden sie in Deutschland des Antisemitismus bezichtigt. Weil das erlittene Unrecht derart klar belegt ist, bleibt den Befürworter*innen der Apartheids- und Besatzungspraxis Israels eben nur ein Mittel: nämlich die Verleumdung von Palästinenser*innen.

Wir als BT3P werden diesen Praktiken des Deutschen Bundestags und der Länder, Gemeinden und Kommunen nicht weiter tatenlos zusehen. Unsere gemeinsame Geschichte, die uns auf verschiedenen Wegen zusammengeführt hat, verpflichtet uns für die universellen Menschenrechte und gegen Rassismus und Kolonialismus einzustehen. Wir werden den Bundestagsbeschluss erfolgreich kippen und damit dazu beitragen, dass sich die allgemeine Debatte in Deutschland endlich zugunsten der unterdrückten Palästinenser*innen ändert.

Wir und ihr als neues Wir: die BT3P
Wir laden alle Menschen ein, die sich den Menschenrechten verpflichtet fühlen, uns die BT3P zu unterstützen und die Meinungsfreiheit für Menschenrechtsarbeit zu verteidigen. 

Wir laden außerdem auch jene Menschen zum kritischen Dialog ein, die nicht mit allen Aspekten des BDS-Aufrufes einverstanden sind, aber für die die Meinungsfreiheit für Menschenrechtsarbeit im Vordergrund steht. 

Unterstützt  diesen wichtigen Einsatz für die Menschenrechte der Palästinenser*innen in Deutschland. Im Einklang mit dem Geiste des BDS-Aufrufs von 2005 werden wir alle dazu beitragen, dass in der Region Palästina/Israel in Zukunft “alle Töchter und Söhne des Landes zwischen Fluss und Meer”  unabhängig von ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit in Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zusammen leben können.  


Was können Sie / kannst Du tun, um unsere Initiative zu stärken?
Unterstützt uns durch:

  • reges Verbreiten unserer Initiative und Neuigkeiten dazu auf allen verfügbaren Kanälen wie beispielsweise Social Media und Email

  • Einladung zu Diskussionsrunden und Vorträgen

  • Geldspenden zur Deckung der Klage

  • öffentliche Unterstützung durch Individuen und Personen des öffentlichen Lebens

  • öffentliche Unterstützung durch deutsche und ausländische Organisationen im Einklang mit den genannten Werten (beispielsweise Gewerkschaften, Parteigliederungen, Stiftungen, Menschenrechtsgruppen, Befreiungsbewegungen, BLM- und LGBTQI-Gruppen...)

  • kritischen Austausch und Zusammenarbeit

  • Presseberichterstattung (Presseanfragen bitte an: press@bt3p.org)

Wir freuen uns von Euch / Ihnen zu hören und auf die gemeinsame Arbeit für eine gute Sache.

Judith Bernstein, Amir Ali, Christoph Glanz
Bundestag 3 für Palästina (BT3P)

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Pressemitteilung: Klage gegen den Deutschen Bundestag aufgrund dessen Anti-BDS-Beschluss eingereicht